Oder doch kein Cabrio?
Ich gehörte auch mal zu den Überzeugungstätern, die bei Wind und Wetter offen fahren. Bekleidet mit Mütze, Schal und Handschuhen, stand ich mit voll aufgedrehter Heizung an der Ampel, trug Pilotensonnenbrille, obwohl der Himmel über mir nicht trüber hätte dreinblicken können. Den Kollegen im Büro erzählte ich später hustend, wie gut die frische Stadtluft im täglichen Stau zur Arbeit getan hat. Ich fühlte mich total cool, aber eigentlich hat mir das Cabrio mehr Stress als Spaß bereitet.
Wenn ich nur ans Parken zurückdenke. Immer der bange Blick in den Schatten spendenden Baum über dem Auto. Wenn da jetzt ein Vogel drin sitzt, der mir auf mein Stoffdach scheißt. Das geht nie wieder richtig raus. Und egal welches Unwesen das Wetter auch trieb – das Wochenende verbrachte ich am liebsten offenfahrend. Während andere beim Sport, Spaziergang oder auf dem Fahrrad entspannten, suchte ich auf den Bundesstraßen meine Zufriedenheit. Ganz ehrlich, gefunden habe ich sie dort nur selten.
Doch noch weniger verstehe ich die zweite Sorte der Cabriofahrer, die diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdient hat. Denn sie fährt praktisch nie offen. Entweder ist es zu kalt, zu windig oder viel zu heiß, um ohne Klimaautomatik unterwegs zu sein. Diese Menschen haben Cabrios, weil es hipper ist als eine konventionelle Karosserieform. Das offene Fahrgefühl gibt ihnen aber eigentlich nichts. Besonders lustig ist der Anblick dieser Spezies, wenn sie auf dem Baumarkt-Parkplatz versucht, ihre Frühjahrsblüher in dem engen Kofferraum unterzubringen. Die bekannten Stammtischsprüche – von wegen große Freiheit und so – wirken in solchen Situationen immer besonders lächerlich.
Natürlich fahre ich auch heute noch gerne offen. Aber nur, wenn es nicht zu kalt, nicht zu heiß und nicht zu windig ist, ich nicht auf dem Weg zur Arbeit einen Stau erwarte, nicht zum Sport gehe, keine Frau oder Familie belustigen muss, sondern mal richtig Zeit für eine Tour habe. Dann fahre ich Cabrio. Das kommt etwa ein bis zwei Mal pro Jahr vor, und da leihe ich entweder eins aus – was übrigens viel billiger ist, als sich dafür eines anzuschaffen – oder fahre dann doch lieber Fahrrad oder Roller. Was ich damit sagen will: Ein Cabrio täglich zu bewegen ist nach meiner Erfahrung weitgehend sinnlos. Natürlich kann man sich für die wenigen Tage mit Cabrio-Wetter eines anschaffen, aber das verbuche ich unter Luxus.
Und kommen Sie mir jetzt nicht mit dem vielzitierten hellen, luftigen Gefühl. Die Natur erlebt der Besitzer eines Autos mit üppigem Panorama-Glasdach meist viel intensiver als der Cabrio-Fahrer durch die mini Scheiben der oft geschlossenen Stoffmütze.
Aber richtig, Cabriofahren ist halt cool. Ich pfeife auf das Laienspiel vor der Eisdiele, den Stress mit dem Geltungsbedürfnis. Wer ehrlich zu sich selbst ist, nimmt lieber ein bequemes, wohlklimatisiertes, schickes Auto mit einem Dach über dem Kopf – und überlässt peinlich anmutende Auftritte den anderen.
nicht von mir, nur eben gelesen .-)