Bei mir war's so:
Ich war gerade 11 Jahre und Daimler-Fan durch und durch, was genetisch bedingt ist. Meine Eltern fuhren einen Opel Record 1700, weiß mit schwarzem Vinyl-Dach, innen blau. Fand ich damals pottenhässlich (heute fänd ich's kultig). Doch der 123er 200D in Petrol-Metallic war bestellt.
In der langen Zeit des Wartens auf den ersehnten Stern sagte sich hoher Besuch im Hause H. in R. an. Die damalige Chefin meiner Mutter, Frau Dr. W. gab sich ein Stelldichein. Mein Bruder und ich öffneten schon morgens das Hoftor und turnten bis zur Kaffeezeit auf der Straße rum, um die Anfahrt von Frau Dr. W. ja nicht zu verpassen.
Dann war es endlich soweit. Am Ende der Straße bog er ein: Der 280SL in Mangan-Braun-Metallic. Langsam glitt er näher, der Chrom blitzte in der Sonne, der Lack glänzte. Dann bog er in die Hofeinfahrt des Hauses H. in R. ein. Während Fr. Dr. W. mit den Eltern des Hauses H. in R. Kaffee und Kuchen konsumierte, turnten mein Bruder und ich, die Kinder des Hauses H. in R., weiter auf der Straße und auf dem Hof des Hauses H. in R. rum. Immer mit Blickkontakt auf den 280SL in Mangan-Braun-Metallic.
Dummerweise regte sich just an diesem Tage wenig in der Nachbarschaft. War sonst ständig irgendeiner da, der auf den Hof schaute, tat sich nix. Keiner, der das gute Stück in der Einfahrt sah und sich fragte, was denn das für ein unglaubliches Auto in der Einfahrt des Hauses H. in R. war. Nichtmals lautes Husten und Unterhalten der Kinder des Hauses H. in R. lockte jemanden herbei. So ein Ärger auch. Na, ja.
So wuchs jedenfalls in jungen Jahren die Liebe zum 107er. Als Kaffee und Kuchen dann weg waren, kam endlich Frau Dr. W. und fragte, ob mein Bruder und ich vielleicht mal eine Runde mitfahren wollten, was wir natürlich sofort annahmen. Bruder vorne, ich auf dem Notsitz, neben mir ein sabbernder Hund der Marke Boxer. Ebensfalls Mangan-Braun, nicht metallic, dafür fast so groß wie ich. Doch die Fahrt war ein genuss. Wir konnten offen fahren, so dass der Sabber des Mangan-Braun-Nichtmetallicfarbenen Boxers vom Fahrtwind zu den hinter uns fahrenden Nicht-SL's getragen wurde.
Dies war der Beginn der Leidenschaft. Doch selbst einen zu besitzen, kam mir nie in den Sinn, da ich dies für das Privileg anderer Gesellschaftsschichten hielt. So war mein erstes Auto dann ein Golf I, dann kam ein 190E, dann ein C180.
Irgendwann kam dann die Idee, dass so ein Youngtimer mit Stern nebenbei nicht schlecht wäre. Ein Strichachter sollte es sein.
Da ich relativ wenig auf ein Auto angewiesen war, dachte ich mir dann, dass zwei Autos, die kaum bewegt werden, eigentlich Blödsinn sind. So wurde die Idee geboren, doch richtig auf die Brause zu hauen.
Der C kam weg. Und nach relativ kurzer Suche fand ich Sie: meine Jugendliebe 107.
Ja, so war das. Damals.
Und immer, wenn ich die Tür des SL schließe, erinnert mich der sonore und satte, tresorgleiche Klang an den Tag, als Frau Dr. W., der Mangan-Braune Boxer und der Mangan-Braun-Metallicfarbene SL das Haus H. in R. besuchten.