Erstaunlich an der Geschichte ist in erster Linie die Ahnungslosigkeit der Medien:
Wenn es in einem Reaktor bzw. einem Reaktorcontainment zu einer Knallgasexplosion kommt, dann MUESSEN zwangslaeufig zwei Dinge eigetreten sein:
(a) Der Kern bzw. Bereiche einzelner Brennelemente sind massiv ueberhitzt und am Zirkonium der Brennelementeummantelung spaltet sich Wasserdampf in H2 und O2. Das geht nur, wenn der Kern in Teilen frei liegt und die Kettenreaktion zumindest verzoegert ueberkritisch ist. Normalerweise leicht zu kontrollieren und ohne Wasser als Moderator unmoeglich (Negativer VOID-Koeffizient der Siedewasserreaktoren) ... geht also nur, wenn das Brennelement schon laengst zu heiss.
(b) Die Reaktorcrew laesst dieses radioaktive 'Spaltgas' aus dem Reaktordruckbehaelter in die Kraftwerkshuelle ab, um (i) den Druck im Druckbehaelter zu senken und (ii) einen Restwasserstand aufrecht zu erhalten.
Liesse man das Knallgas nicht entweichen, wuerde das Gas das Restkuehlwasser im Druckbehaelter in Richtung Turbine/Waermetauscher verdraengen und beizeiten den Kern komplett freilegen. Mehr Neutronen, mehr Reaktorgiftabbau (Xenen), mehr Reaktivitaet.
Man kann GESICHERT davon ausgehen, dass zu diesem Zeitpunkt der Reaktor schon 100% unkontrollierbar von selbst vor sich hin kochte - das Ablassen von radioaktivem Ueberdruckgas ist nach dem gemeinsamen Weglaufen der quasi vorletzte Schritt. Auf jeden Fall besteht eine Verbinduing von Reaktorkern und Atmosphaere ... sonst koennte man auch kein Caesium nachweisen.
In der Sekunde der Explosion war obiges klar ... egal, ob ein paar Betreiberabwiegeler noch behaupteten, alles waere in Butter. Kein Knallgas ohne Ueberhitzung und freigelegten Kern.
Im Moment kuehlt man mit Meerwasser ... was heisst das? Man schuettet Meerwasser DIREKT (d.h. ohne benutzung des geschlossenen Kuehlkreislaufes der Regelbetirebes) in den Reaktorkern. UND WO BITTTE BLEIBT DAS WASSER?? Entweder verdampft es in die Atmosphaere (ich seh' keine Dampfwolke) oder es wird - radiokativ wie es ist - ins Meer zurueckgeleitet.
Sofern das der Vermeidung der Ueberkritikalitaet dient, vielleicht sogar der bessere Schritt: Sollte der Kern sich weiter aufheizen, droht in der Tat eine "prompte Ueberkritikalitaet", d.h. ein "Durchgehen" des Reaktos und eine Kettenreaktion wie in einer Kernwaffe (genau das ist Tschernobyl durch das einfahren der Graphitbloecke an der Spitze der Steuerstaebe passiert). Grosses Kaboom, China-Syndrom etc.
Tschernobyl wird allerdings nicht stattfinden! Der/die betroffenen Reaktoren sind Siedewasserreaktoren, Tschernobyl war ein graphitmoderierter Reaktor Typ RBMK1000. Der "Reaktorbrand", bei dem durch das Graphitfeuer viel Radioaktivitaet wie bei einem Lagerfeuer in die hoehe Atmosphaere getragen und so quer ueber Europa vertilt wurde, kann bei einem Siedewasserreaktor nicht stattfinden. Das ist bei allem Unglueck die gute Nachricht - das Phaenomen wird sich weit lokaler abspielen als Tschernobyl, die Konamination wird sich regionaler ablagern ... allerdings dort dann entsprechend heftiger.
Kleine Anmerkung zur japanischen Mentalitaet: (a) Pflichtbewusst bis zur Selbstaufgabe (=> Kamikaze) und (b) Fehler sind ein Gesichtsverlust.
Wir werden noch viele Verlautbarungen hoeren, keine wird stimmen, alle werden erstmal untertrieben sein. Japan und die Verantwortlichen haben (nach eigenem Selbstverstaendnis) vor der Welt schon laengst das Gesicht verloren. Nicht, weil's einen Tsunami gab ... sondern weil sie jetzt eingestehen muessen/muessten, keinerlei Kontrolle mehr ueber das Geschehen zu haben. Ohmacht und Ratlosigkeit ist in Japans Selbstverstaendnis nicht vorgesehen ... und daher koennen es die Verantwortlichen auch nicht entsprechend zum Ausdruck bringen. Selbst wenn sie wollten ... sie KOENNEN nicht: "Vielleicht ... beginnende Kernschmelze ... Teile eines Reaktorkern ... Massnahmen ergriffen": Das heisst, die haben ordentlich Neutronenfeuer unter ihren zwei Atomkesseln und keine Ahnung, was sie dagegen machen wollen. Haetten sie Erfolg, wuerde der auch als solcher berichtet.
Insgesamt leider trgisch aber auch durchaus spannend und gluecklicherweise am anderen Ende der Erde.
Carsten
PS - Harrisburg (Three Mile Island) hatte durch eine Abschaltung der Speisewasserpumpen und Absinken des Fuellstandes im Druckbehaelter die exakt gleiche Kernschmelze samt Knallgasexplosion (dirt hat das Containment (sprich die Huelle)gehalten!). Aber die hatten hinreichend Elektrizitaet, Pumpenkapazitaetund einen funktionierenden primaeren und sekundaren Kuehlkreislauf, um den Kern wieder mir viel Wasser abzukuehlen. Das gibt's hier alles nicht (mehr) ... wie viele Leitungen, Pumpen und Ventile am Druckbehaelter nach der Knallgasexplosion gestern noch funktionieren, darf sich jeder selbst ausmalen. Das China-Syndrom scheint hier (aus der Ferne betrachtet) eher unausweichlich.